Comics:"Literatur ist nun einmal ein weites Feld"

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Anna Spies und Christoph Schöne engagieren sich im Münchner Verein Comicaze. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Anna Spies und Christoph Schöne vom Verein Comicaze werben beim Gratis-Comic-Tag in der Gräfelfinger Gemeindebücherei für das ihrer Meinung nach verkannte Genre.

Von Lara Jack, Gräfelfing

An diesem Samstag, 14. Mai, wird bundesweit der Gratis-Comic-Tag begangen, und die Gemeindebücherei Gräfelfing macht mit. Bis zu drei Comic-Hefte dürfen an diesem Tag in der Bücherei kostenlos abgeholt werden, zwischen 35 Heften kann gewählt werden. Darunter Mangas, Graphic Novels und klassische Superhelden-Comics. Als Begleitveranstaltungen werden die Comic-Arbeiten der sechsten und siebten Klassen des Kurt-Huber-Gymnasiums ausgestellt und mit den jüngeren Besuchern Superhelden aus Bügelperlen gebastelt. Mitglieder des Münchner Mitmachvereins Comicaze werden in der Gräfelfinger Bücherei für die Besucher zeichnen, Fragen zum Illustrieren und Comiczeichnen beantworten und vereinseigene Magazine auslegen, die zusätzlich zu den drei Gratis-Heften kostenlos mitgenommen werden dürfen. Anna Spies ist erste Vorsitzende des Vereins, Christoph Schöne hat ihn vor 25 Jahren mitgegründet. Die Devise: Junge Talente fördern, vernetzen, und ihnen die Möglichkeit bieten, sich auszuprobieren. Beide sind langjährige Illustratoren und Comiczeichner. Im Interview sprechen sie über die literarische Bedeutung von Comics.

SZ: In der Comicszene stößt man auf verschiedene Begrifflichkeiten, etwa Cartoon, Graphic Novel, Manga. Fällt all das unter den Übergriff "Comic" oder muss differenziert werden?

Spies: Grundsätzlich kann man das alles unter den Begriff "Comic" fassen. In der Definition von Scott McCloud heißt es: "Sobald zwei Bilder nebeneinanderstehen, die eine Geschichte erzählen, ist es ein Comic." Aber es ist auch ein Graubereich, denn ab wie viel Text ist es eine Graphic Novel, wie groß müssen die Augen einer Figur sein, damit es als Manga gilt? Und auch Superhelden-Comics können, wie bei einer Graphic Novel, extrem tiefgründig sein. Der Comic inspiriert sich von allen Genres.

Wie stehen Sie zu dem Vorurteil, dass der Comic ein reines Kindermedium sei?

Spies: Das ist ein ganz großes Vorurteil. Denn auch wenn es meist schöne bunte Bilder in den Comics gibt, muss man sich diese Bilder auch mal genauer angucken und sich damit auseinandersetzen. Der berühmte Comic "Maus" ist dafür das beste Beispiel, das ist eben nicht für Kinder. Man kann sich die Intellektualität eines Comics ja auch selbst aussuchen.

Was hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung von Comics in den letzten Jahrzehnten verändert?

Schöne: Was sich verändert hat - das ist aber allgemein so in der Kulturszene - ist: Die ganze Welt wird ein bisschen belangloser und humorloser, finde ich. Bei Humor ist es zwangsläufig so, dass man über jemanden lacht. Und je dünnhäutiger die Leute werden, desto schwieriger wird die Sache mit dem Humor. "Cancel Culture", sag ich nur. Ich bin der Meinung, man hat Humor, wenn man auch mal über sich selbst lachen kann. Wenn sich jeder auf den Schlips getreten fühlt und wenn keiner für sich reflektieren kann, ob man mal über das Ziel hinausgeschossen ist, finde ich das sehr schade.

Zählen Comics Ihrer Meinung nach zu Literatur?

Schöne: Definitiv, ja. Literatur ist nun einmal ein weites Feld. Es können Kinderbücher sein, es können dicke Russenschwarten sein. Max und Moritz von Wilhelm Busch ist zum Beispiel einer der ersten Comics. Und auch der hoch gelobte Loriot war meiner Meinung nach ein Comiczeichner, obwohl bei ihm die Sprechblasen fehlen. Sobald Sprechblasen da sind, ist es für manche Menschen ein Comic und damit etwas Minderes, bei Loriot ist es Kunst. Das interessante am Comic ist auch, dass er zwischen zwei Kunstformen steht. Zwischen Literatur und Film. Du liest einen Comic, schaust dir aber auch die Bilder an. Das ist vielleicht auch der Grund, warum der Comic häufig als Zwischenform gilt.

Der Gratis-Comic-Tag in der Gemeindebücherei Gräfelfing findet zu den regulären Öffnungszeiten von 11 bis 14.30 Uhr statt. Die Titel, die zur kostenlosen Abholung bereitstehen, lassen sich unter www.gratiscomictag.de einsehen.

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